Das Haus
Michael G. Fritz
Das Haus
Roman
308 S., geb. mit SchU
Oberbaum Verlag, Berlin 1994
ISBN 978-3-89812-435-5
Preis: 16,95 €
ET: Juli 2012
Leseprobe
Übrigens ist sie hübsch, sagt Volker. Anton zuckt zusammen. Natürlich meint er Irene, es ist klar, dass er Irene meint, und es ist ebenso klar, dass Anton ihm nichts vormachen muss, weshalb auch. Ich weiß, sagt er nach einer Weile. Ist es was Ernstes? Anton führt die Zigarette zum Mund, indem er mit einer Hand die andere hält, zwischen deren Fingern die Zigarette steckt. Ich dachte, zwischen dir und Ulla ist alles in Ordnung. Ist es sogar, komisch nicht? Ja, es ist alles in Ordnung zwischen Ulla und mir, ob du es glaubst oder nicht, und er fügt hinzu: Wenn es nur Irene nicht gäbe. Wenn es Irene nicht gäbe, denkt Anton, das Haus und Emils Beerdigung und Zachow, wenn … Anton hätte die Woche über zufrieden an seinem Reißbrett gestanden, ein neues Projekt begonnen, er wäre mit Walter in seine Kneipe, zu Tom, gegangen und hätte sich auf das Ende der Woche gefreut, um auszuschlafen und Zeit für Sibylle und Ulla zu haben. Alles wäre wirklich in Ordnung gewesen. – Statt dessen ist es schon soweit, dass er überlegt, ob er sich von Ulla trennt. Wie wäre es ohne sie? Die zwölf Jahre, die gemeinsamen Jahre wären plötzlich abgeschlossen, abgeschlossen wie eine Akte. Und Sibylle? Er wird sie einmal im Monat sehen dürfen, falls er sich gut mit Ulla stellt, zweimal, vielleicht sogar öfter. Er klingelt an seiner Wohnung, die nicht mehr seine ist, aus dem Flur hört er Sibylles Tapsen; es nähert sich rasch, entfernt sich jedoch, weil sie etwas vergessen hat, aber dann strebt sie der Tür zu und öffnet sie. Mit ihren Zöpfen und dem prallgefüllten Campingbeutel, aus dem der Kopf einer Puppe herausschaut, sieht sie unternehmungslustig aus. Hinter ihr erscheint Ulla, sie reicht ihm die Hand und sagt: Um sechs, nicht wieder später.
Rezensionen
Michael G. Fritz baut seinen Roman nicht auf Sätze, sondern setzt auf die Verläßlichkeit von Detail und Struktur. Und liefert im richtigen Augenblick, wohltuend sparsam, dann doch die pointierte Sentenz. … Nein, keine Ost-West-Plattitüde, eher ein Ausreiseantrag aus der eigenen Haut.
Nach seinem in zwei Auflagen erschienenen Erzählband "Vor dem Winter" zieht der Dresdner Autor Michael G. Frtitz den Leser in seinen Debütroman förmlich hinein in die Geschichte eines Hauses, mit der sich zugleich die Geschichte dreier Generationen verbindet. Die Aufschriften auf der Fassade spiegeln die Leben seiner Bewohner… Erstaunliche Sogwirkung gelingt seiner Sprache immer dann, wenn Bildhaftigkeit und genau beobachtete Details Distanz zu dem scheinbar Unabänderlichen herstellen.
Michael G. Fritz erzählt über dichte, plastische Bilder, die nie kommentiert oder bewertet werden. Sie sind assoziativ miteinander verbuinden. Diese Bilder sind die Stärke des Buches; mit ihnen gelingen immer wieder präzise und gelegentlich beklemmende Schilderungen.