Meinen Apfelstrudel sollten Sie sich nicht entgehen lassen – Schalom, Begegnungen in Israel
Michael G. Fritz
Meinen Apfelstrudel sollten Sie sich nicht entgehen
lassen – Schalom, Begegnungen in Israel
Reiseprosa
Mit einem Nachwort von Marko Martin
231 Seiten., 135 X 210 mm
Mitteldeutscher Verlag Halle (Saale) 2022
ISBN 978-3-96311-695-7
Preis: 16,00 €
Klappentext
„Meinen Apfelstrudel sollten Sie sich nicht entgehen
lassen – Schalom, Begegnungen in Israel“
von Michael G. Fritz
Das Buch versammelt literarische Porträts von Israelis.
Auf vielen Reisen hat Michael G. Fritz Menschen kennengelernt,
die bereit waren, sich ihm zu öffnen und ihre Biographie
ebenso wie ihre Vorstellungen vom Leben in ihrem Land
mitzuteilen.
Wie lebt es sich in Israel, in einem Land, das
auf mehr als viertausend Jahre zurückblickt und sich so sehr
aus der eigenen Geschichte heraus definiert. Der Leser bekommt
authentische Geschichten, die er noch nie gehört hat und ihm
das Land nahebringen.
Marko Martin im Nachwort: „Die Protagonisten in diesem klug,
das heißt unaufdringlich komponierten Buch sind dabei keine
eindimensionalen Thesengestalten, sondern Menschen in ihrer
unverwechselbaren Individualität.“
Rezensionen
„Der Schriftsteller Michael G. Fritz, der in Schulzendorf aufgewachsen ist und dort in seinem Elternhaus und in Dresden lebt, hat ein neues Buch geschrieben. Erschienen ist es im Mitteldeutschen Verlag. Es trägt den Titel ‘Meinen Apfelstrudel sollten Sie sich nicht entgehen lassen‘ und handelt von Begegnungen mit Menschen in Israel. Einfühlsam, wahrhaftig und höchst lebendig schildert der Autor diese Treffen.
Aus der Geschichte seiner Gesprächspartner, ihren Erfahrungen mit dem Holocaust, ihrer Verankerung in verschiedenen Landstrichen entsteht ein vielschichtiges Bild Israels, ein Reiseführer der ganz eigenen Art. Beim Leser stellt sich bei den Beschreibungen, bei den Gesprächen ganz nebenbei Neugierde und Lust ein, Land und Leute näher kennenzulernen.
…
Woher stammt seine Liebe zu Israel? Das erläutert der Schriftsteller auf den ersten Seiten seines neuen Buches. Als Jugendlicher hörte er jeden Tag Musik während der Hausarbeiten – den amerikanischen Soldatensender AFN und Rias 2. Dort wurde er auf fremde Klänge, den Gesang des Oberkantors der Jüdischen Gemeinde Berlins aufmerksam und war fasziniert. Israel wurde für Fritz ein Thema, das ihn nicht mehr losließ.
Diese erste Begegnung spielte sich in seinem kleinen Zimmer in Schulzendorf ab. ‘Hier in Schulzendorf ist meine Quelle. Hier sprechen die Wände zu mir. Das klingt sehr pathetisch, aber es ist so.‘, stellte Michael Fritz einmal fest.“
Heidrun Voigt
„Das Geheimnis dieses Textes ist, dass der Geschichtenerzähler uns allen eine lustvolle Vor- und Nachbereitung einer Reise und eine freundlich-persönliche Begleitung zu Menschen und Orten bietet.“
Francesco Micieli
Literarischer Apfelstrudel
„Wie schön blau ist Ihr Buch!“ Diese Aussage überraschte mich beim Lesen. Tatsächlich hielt ich ein blaues Buch in der Hand. Das letzte Mal, dass ich an ein Buch als Farbe dachte, war bei C.G. Jungs Das Rote Buch. Mein blaues Buch, das ich jetzt als Farbe wahrnehme, während mein Sitznachbar im Zug auf eine Antwort wartet, ist von Michael G. Fritz. Das Buch begleitet mich nach Terra Vecchia zu einem musikalischen Projekt.
„In Meinem Apfelstrudel sollten Sie sich nicht entgehen lassen erzählt der Autor von Reisen und Begegnungen in Israel“, sage ich zu meinem Sitznachbar.
Er schaut mich erstaunt an, weil er nicht erwartet hatte, dass sein Ausruf zu einem Gespräch führen würde. „Ich war noch nie in Israel“, sagt er etwas leise.
„Ich auch nicht“, gebe ich zur Antwort.
„Das Geheimnis dieses Textes ist, dass der Geschichtenerzähler uns allen eine lustvolle Vor- und Nachbereitung einer Reise und eine freundlich-persönliche Begleitung zu Menschen und Orten bietet.“
Wir fdahren schweigend weiter. Ich habe Lust, ihm etwas vorzulesen. In einer mir liebgewordenen Passage zitiert Michael G. Fritz ein Gedicht von Schalom Ben-Chorin: „Es geschieht nun, dass ich ungehindert / Von Jerusalem nach Schwabing geh… / Tausend Meilen sind zum Sprung vermindert: / Tel Avivliegt nah am Tegernsee.“ Es ist ein Text, der sich in viele Richtungen öffnet, der die mögliche Gleichzeitigkeit der Dinge beim Reisenzeigt. Jetzt, Vergangenheit und Zukunft wirbeln im Geschriebenen durcheinander, „Ähnliches dann bei einem Rockkonzert in der Negev-Wüste: Einige Erinnerungssplitter an das Ermutigende im Wortsinn freier Rhythmen zu DDR-Zeiten und dann ein Eintauchewn in die (…) Welt aus Punk, Indie-Folk und klassischer arabischer Musik.“
„Danke“, sagt mein Nachbar sichtlich berührt, an den Zugfenstern zieht der Vierwaldstättersee vorbei, „das Vorlesen von lieb gewordenen Texten erinnert mich an die ‚scheinbare Transzendenz‘ der Stimme.“
Verblüfft von seiner Aussage schweige ich. Die Menschen, denen ich beim Lesen der Reisen von Michael G. Fritz begegne, scheinen sich für einen kurzen Augenblick in diesem Zug nach Bellinzona zu treffen. „Das ist von Derrida“, flüstern sie mir zu, „lass dich nicht einschüchtern.“
„Schenken Sie mir einfach das Buch“, sagt mein Nachbar mutig, meine Unsicherheit ausnützend. Ich drücke es ihm in die Hand. Das Blau leuchtet. „Mein Apfelstrudel ist auch ganz prima“, sagt er und verlässt mich.
Francesco Micieli
lebt als freier Schriftsteller in Bern
Das echte Interesse am Anderen
DRESDEN - Der Dresdner Schriftsteller Michael G. Fritz (69)
hat ein neues Buch geschrieben. In „Meinen Apfelstrudel
sollten Sie sich nicht entgehen lassen“ schreibt er über „Begegnungen in Israel“, wie es im Untertitel heißt, hinzugefügt
der hebräische Begriff für Frieden, „Schalom“. Mit dem Autor
reisen die Leser durch das „Heilige Land“, erfahren von seiner
Geschichte, seiner Gegenwart und seinen Menschen, unter
anderem jener Frau, Neri Lilenfeld-Chanes, die ihren Apfelstrudel rühmt. Es ist ein leicht zu lesendes und gleichzeitig tief
berührendes Buch über eine vielen noch immer unbekannte
Welt. Die Lektüre lässt schmunzeln und schlucken und vermittelt ein literarisches Bildungserlebnis, das nicht belehren,
sondern zeigen will.
MOPO: Herr Fritz, das Thema Israel ist eines, an dem ein
deutscher Autor sich leicht die
Finger verbrennen kann. Wie
lange haben Sie gebraucht, für
Ihr Buch den Ansatz zu finden?
Michael G. Fritz: Nicht lange.
Ich habe mich in dieses Land begeben und mich den vielen Eindrücken in aller Offenheit überlassen. Dass ein Buch daraus
würde, war nicht von Anfang an
beschlossen. Als der Gedanke
aufkam, war klar: Offenheit und
Unvoreingenommenheit sollten
die Erzählhaltung bestimmen.
Das Buch ist das Resultat
mehrerer Reisen nach Israel.
Wie oft waren Sie dort?
Ich kann es gar nicht genau sagen. Manches Jahr war ich dreimal dort, dann wieder längere
Zeit nicht. Zum ersten Mal in Israel war ich 2013. Das Land übte
von Beginn an einen großen Zauber auf mich aus.
Was ist es, dasSie fasziniert?
Es ist vor allem die große Zugewandtheit der Israelis dem Fremden gegenüber. Das echte Interesse am Anderen. Ich erzähle
im Buch von einem jungen Mann,
der im Flugzeug seinen Fensterplatz aufgab, um neben mir zu
sitzen. Er suchte das Gespräch.
In Deutschland bleibt man in solchen Situationen gern auf Distanz. In Israel ist man vielleicht
mehr als anderswobereit, vonder
eigenen Geschichte zu erzählen,
und neugierig auf die des Gegenübers. Wer sich darauf einlässt
undnicht allesbesserweiß, findet
schnell Kontakt. Mir hat es manche Freundschaft beschert. Ein
anderes Faszinosum ist die ungeheure Vielfalt der Kulturen. Es
ist ein multikulturelles Land mit
vielen Traditionen.
Israel ist nicht nur der Staat
der Juden.
Es ist der Staat der Juden, aber
kein jüdischer Staat. Es leben
viele Araber im Land, unter ihnen
auch Christen. Die Weltreligionen
der Juden, Christen und Muslime
existieren in Israel auf engstem
Raum beieinander, wenn auch
nicht konfliktfrei. Allein unter den
Juden ist die Vielfalt enorm, weil
sie aus allen Teilen der Welt nach
Israel kommen, aus Afrika, Lateinamerika, Europa und in den
zurückliegenden Jahren vor allem
aus Russland. Der Anteil der Russen an der jüdischen Bevölkerung
in Israel beträgt mittlerweile zwanzigProzent.
Sie lassen im Buch durchscheinen, dass angesichts der
Shoah Hemmungen aufkommen können, sich in Israel als
Deutscher zu erkennen zu geben. Lässt sichdiese Hemmung
überhauptjemals ablegen?
Ich erzähle das am Beispiel
eines deutschen Freundes, der in
der Holocaust-Gedenkstätte Yad
Vashem einer trauernden Jüdin
ein Taschentuch reichte - wortlos, um sich nicht durch die Sprache zu verraten. An diesem Ort,
den ich noch nicht besucht habe,
würde ich es mir wohl auch versagen. Ansonsten ist es verblüffend,
wie ungezwungen die meisten
jüdischen Israelis mit diesem Thema umgehen. Nicht dass sie die
Shoah vergessen wollten, natürlich nicht, aber im Alltag vor allem
der jüngeren Menschen spielt es
kaum eine Rolle. Und das Interesse an Deutschland ist groß. Es ist
für sie nun ein Land ohne Schrecken. Außer New York ist vor allem
Berlin eine Stadt, die junge Israelis
anzieht.
Wie schauen Sie auf den Diskurs in Deutschland: Ist IsraelKritik gleichbedeutend mit Antisemitismus?
Natürlich kann man Israel kritisieren. Nur schlägt das sehr
schnell in Antisemitismus um.
Wenn Sie an die Documenta denken - was dort geschehen ist,
war schäbiger Antisemitismus in
„Stürmer“-Manier, der erstaunlicherweise ohne Konsequenzen
für die verantwortlichen Politiker
blieb. Was mich vor allem stört,
ist die Einseitigkeit in der Berichterstattung vieler Medien. Da gibt
man sich demonstrativ Israel-kritisch, stellt aber kaum je infrage,
was die Palästinenser tun. Israel
ist konfrontiert mit Organisationen wie der Hamas oder Staaten
wie dem Iran, die offen die Auslöschung des Landes fordern. Es
ging in Israel von Beginn an um die
Existenz. Das prägt das Land und
bedürfte auch bei uns größere Beachtung. Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Und sie
funktioniert. Nirgendwo sonst in
der Region werden Minderheiten
so ernst genommen. Nehmen Sie
die Homosexualität: In Israel ist es
möglich, als Homosexueller zu leben. Wenige Kilometer weiter wird
man dafür gesteinigt.
Sie haben viele Menschen
getroffen in Israel, die auch im
Buch vorkommen. Welche Reaktionen erhalten Sie?
Die erste Frage war, als sie vom
Erscheinen des Buches hörten,
wann ich wieder nach Israel komme. Ich könne das Buch ja vorbeibringen. Ihr Interesse an Deutschland ist riesig. Für mich waren es
wunderbare Begegnungen.
Wird es ein weiteres IsraelBuch von Ihnen geben?
Ich erwähne im Buch die Geschichte des Komponisten Yuval
Shaked, der vor vielen Jahren
nach Deutschland kam, um zu
studieren. Sein Gepäck trug er in
einem Koffer mit der Aufschrift
„Deutsches Handwerk“. Es war
das Gepäckstück seiner Tante
während ihrer Gefangenschaft
in Auschwitz. Sie überlebte die
Shoah. Nach dem Krieg trug sie
ihre verbliebene Habe darin in die
neue Heimat Israel. Dort verwahrte sie es sorgsam, bis der Neffe
zum Studium nach Deutschland
aufbrach - mit dem AuschwitzKoffer seiner Tante. Ist das nicht
unglaublich? Es reizt mich durchaus, diese Geschichte literarisch
zu verarbeiten. Erst mal habe ich
aber ein anderes Buch in Arbeit,
einen Kurzprosaband mit dem
Titel „Die Stille ist das Rieseln des
Sandes“. gg
Michael G. Fritz besitzt die Gabe, voll Neugier auf Menschen zuzugehen. Die hat der 69-jährige in Dresden und Berlin lebende Schriftsteller über einige Jahre hinweg auf zahlreichen Reisen nach Israel eingesetzt und erfahren, wie sich die Bewohner dieses Landes ihrerseits öffneten, ihm ihre Ansichten, vor allem aber ihre Lebensgeschichten anvertrauten. Zusammengestellt finden wir sie in seinem neuen Buch.
Ihm ist ein literarisch anspruchsvolles, kompaktes Mosaik gelungen, das durch seine Vielfarbigkeit, seinen Humor und seine Leichtigkeit besticht, einen tiefen Einblick ermöglicht und einem Überraschungen am laufenden Band beschert. Schon der Titel deutet das an, ungewöhnlich nicht nur der Länge wegen, sondern weil man ihn mit Israel ganz und gar nicht in Verbindung bringen würde: „Meinen Apfelstrudel sollten Sie sich nicht entgehen lassen“. Damit schließt Neri Lilenfeld-Chanes ihren Brief an den Autor, eine Lehrerin, die er beim Bäcker kennenlernte. Eine dieser Zufallsbekanntschaften, die das Buch so erfrischend spontan machen. Womit es uns schon ein Charakteristikum dieses Landes vermittelt. Michael G. Fritz schenkt dieser Zufall eine von vielen Lebens-geschichten; diese hier reicht zurück bis in die Ukraine, von wo die Eltern der Lehrerin nach Israel einwanderten. Rasch wird einem klar: Wenige andere Länder darf man mit mehr Fug und Recht als „Einwanderungsland“ bezeichnen.
Der Autor merkt das nicht zuletzt, wo er seinem Grundsatz folgt: „Wenn man die Kultur eines Landes erfahren will, dann gehören Essen und Trinken dazu“. Sein Begleiter Yakob Dahan, dessen Großeltern aus Marokko und dem Jemen stammten, muss ihn enttäuschen: „es gibt keine israelische Küche, keine, sagen wir, Nationalküche“. Jeder bringe die seine mit, die sich mit anderen nicht vermische. Vielfalt also auch hier. Es ist die sinnlich-genießerische Seite, welche dieses Buch bereichert.
Erfahrung geht bei diesem Schriftsteller über den Gaumen. Ebenso wie über Hände, Haut und Nase. Er lässt sich im Toten Meer treiben und saugt den intensiven Blütenduft von Oleander und Jasmin ein. Dazu gibt es in der Begegnung mit Frauen gelegentlich ein erotisches Knistern, hauchzart und flüchtig nur – eine Prise des menschlichsten Gefühls, die eine feine Note in das Buch tupft. Jede Person trägt ein weiteres Steinchen herbei. Das Wichtigste über das Land – das Nebeneinander von jüdischer, christlicher, muslimischer Religion oder die 4000 Jahre zurückreichende Geschichte dieses Schauplatzes von Thora und Bibel – erfahren wir aus ihrem Mund. Souverän verzichtet Michael G. Fritz auf alle Schubkästen. Stattdessen macht er uns mit Leuten bekannt, die in keinen passen würden; Arthur du Mosch, den Holländer zum Beispiel, halb Jude, halb Christ, der ihm die Schönheit der Wüste entdeckt. Bei aller Schwärmerei spart Michael G. Fritz keinen Konflikt aus, inklusive der Terroranschläge, führt uns krasse soziale Gegensätze vor Augen und die einander ausschließenden Lebensregeln, die auf engstem Raum aufeinanderprallen: der freizügige Westen mit Individualität als oberstem Prinzip und gelockertem Familienzusammenhalt auf der einen, archaische Dominanz des Mannes und Unterordnung der Frau auf der anderen Seite. Selbstredend zieht sich der millionenfache Tod von Juden in Gettos und Vernichtungslagern als wiederkehrendes Thema durch den Text. Auf einem Rockfestival in der Negev-Wüste jedoch erfährt der Autor, dass der Holocaust in der jüngeren Generation keine Rolle mehr spiele. Das sei weder Geschichtsrevisionismus, noch ein Schlussstrich, erklärt ihm seine Begleiterin Leah: „sie richten den Blick bloß problembewusst nach vorn“.
Immer wieder begegnet ihm eine Bewunderung für Deutschland, die ihn ratlos macht. An diesen Stellen zeigt uns das Buch eine spaltbreit geöffnete Tür zwischen Deutschland und Israel. Nur aus Ideologien gestanzte Vorurteile könnten sie wieder zuwerfen. Israel bleibt eine bedrohte Demokratie, von innen etwa durch radikale Orthodoxe, von außen durch Nachbarländer, deren Regierungen das Land von der Weltkarte zu tilgen trachten. Jeder der neun Millionen Israelis hat seine eigene Meinung, die er nicht selten heftig vertritt, erfährt Michael G. Fritz. Einig sind sie sich aber in einem: „Einen zweiten Holocaust lassen wir alle nicht zu.“
Er spricht mit einem Ziegenhirten, einem Hobbykoch und einer Rabbinerin. Er besucht ein Rockkonzert in der Wüste und ein jüdisches Restaurant im arabischen Teil der alten Hafenstadt Akko. Andachtsvoll zieht er mit hochgekrempelten Hosenbeinen durch den Jordan, genau dort, wo sich der Überlieferung nach Jesus von Johannes taufen ließ. In einem Kibbuz erzählt ihm eine Holländerin von ihrer Familie. Michael G. Fritz hört zu, und dafür hat er offenbar ein besonderes Talent. Fremde Menschen vertrauen ihm ihre Lebensgeschichten an. Diese versammelt er nun in einem Buch mit dem einladenden Titel: „Meinen Apfelstrudel sollten Sie sich nicht entgehen lassen“.
Das Buch ist selbst eine Einladung – zum Nachdenken und zum Neugierigsein und vielleicht zu einer Reise nach Israel, wie sie der Dresdner Schriftsteller mehrmals unternahm. Manche Begegnungen sind vereinbart. Andere ergeben sich zufällig. Aus vielen Gesprächen und genauen Beobachtungen entsteht ein Bild. Dieses Bild ist nicht auf Vollständigkeit aus. Fritz baut kein Puzzle, in dem sich alle Teile planvoll und vorhersehbar ineinanderfügen. Hier dürfen Lücke und Widersprüche bleiben.
In den persönlichen Beziehungen schwingen die politischen immer mit. Die meisten Menschen, mit denen Fritz in Jerusalem, Haifa oder Tel Aviv spricht, haben sich an ein Leben mit der Gefahr gewöhnt. Und sie sehen kaum noch eine Chance für das Nebeneinander zweier Staaten, für Israelis und Palästinenser. Die Bedrohung kommt auch gar nicht nur aus dem Gazastreifen. Vertreter des liberalen Judentums fürchten viel mehr die Konflikte im eigenen Land: Die Glaubens- und Kulturkämpfe verschärfen sich mit dem wachsenden Einfluss der Orthodoxen. Deren Parteien sind oft das Zünglein an der Waage bei Parlamentswahlen. Manche Gesprächspartner des Dresdner Autors sehen deshalb Werter der Modere wie Gleichberechtigung und den Pluralismus der Religionen gefährdet. Eine junge Frau erzählt von getrennten Schulen für Araber und Juden. Ehen zwischen beiden kommen in Israel kaum vor, sagt sie. Die Heirat sei nur im Ausland möglich. „Zypernehen werden anerkannt. Mit dreihundert Euro alles in allem ist man dabei.“ In den Gesprächen bewahrt Fritz wohl stets eine dezente Freundlichkeit. Deshalb kann er auch scheinbar heikle Fragen stellen, etwa nach Sex vor der Ehe.
In seinen zahlreichen Prosatexten erweist sich der Autor als lakonisch-hintergründiger Erzähler, zuletzt im Roman „Auffliegende Papageien“. Im neuen Reisebuch vermittelt er intensive, schillernde, oft auch überraschende Eindrücke. Er zeigt die Lebenswirklichkeit einer Region, die sich auf eine viertausend Jahre alte Geschichte beruft. Die jüngste Vergangenheit ist allgegenwärtig. Und auch, wenn der Holocaust für die dritte Generation danach keine Rolle mehr zu spielen scheint – ein Deutscher in Israel kann sich dem nicht entziehen.
Fritz erzählt, wie ihn eine alte Frau auf der Straße anspricht: Ob er etwas auf Deutsch sagen könne. Die Sprache erinnere sie an die Kindheit. Wie ihn da ein leichtes Unbehagen erfasst. Denn auch, wenn er als einer vom Jahrgang 1953 mit dem Holocaust nichts zu tun hat: Er fühlt diese „Bürde namens Auschwitz“ immer noch auf sich lasten. „Wer sollten sie uns abnehmen?“
„Die Protagonisten in diesem klug, das heißt unaufdringlich komponierten Buch ... sind Menschen in ihrer unverwechselbaren Individualität“. So beschreibt der Schriftsteller Marko Martin in seinem Nachwort das neue Buch des Dresdner Schriftstellers von Michael G. Fritz. Unter dem Titel “Meinen Apfelstrudel sollten Sie sich nicht entgehen lassen – Schalom, Begegnungen in Israel“ hat Michael G. Fritz außergewöhnliche Begegnungen in Israel zwischen zwei Buchdeckel versammelt. Mit „Neugier statt Tremolo“, so Martin, ist dem Autor die Darstellung einer israelischer Lebenswirklichkeit gelungen, die nachhaltig und intensiv jenseits von Tipps und Knowhows der Marco Polo-Reiseliteratur wirkt. Sehr ungewöhnliche und intensive Begegnungen und Geschichten hat Michael G. Fritz, der ein literarischer Geheimtipp ist, in seinem neuesten Buch „Meinen Apfelstrudel sollten Sie sich nicht entgehen lassen – Schalom, Begegnungen in Israel“ versammelt. Das Buch ist – salopp gesagt – ein Israelguide der Oberklasse. Denn man sieht im Spiegel der dort versammelten Geschichten nicht nur viel von Israels Geschichte, sondern auch Deutschlands und anderer Länder. Dieses Buch gehört zweifellos in die Kategorie der „Must-Read-Bücher“ für Israel-Interessierte. Denn der: „... zugewandte Ton ... steht jenseits von Tremolo und eiferndem Pathos“, wie der Schriftsteller Marko Martin beschreibt. Dieser Ton, der fast schon hypnotisch den Wunsch in einem erzeugt, dieses faszinierende Land kennenzulernen.